Später aber nicht weniger wichtig – Saffa-Frauen kooperierten auch jenseits der Architektur
Am 22. Oktober 2020 konnte die Forscherinnengruppe dedra schliesslich – nach leider mehr als halbjähriger, Corona-bedingter Verschiebung des Events – ihren Kollektiv-Vortrag mit dem Titel «Von der Saffa 1958 bis Grafton Architects – Der Erfolg von Kooperationen» im Zürcher Architektur Zentrum (ZAZ) in der Villa Bellerive halten. Ursprünglich war die Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung «Frau Architekt» angesetzt, die vom 28. Februar 2020 mit Verlängerung bis zum 19. Juli 2020 im ZAZ gezeigt wurde.
Vor kleinem aber «feinem» Publikum – einem hartgesottenen Kern maskierter Hochinteressierter mit Voranmeldungen und unter Corona-Schutzkonzept – stellten Katia Frey, Isabelle Fehlmann, Nina Hüppi, Sarah Rageth und Inge Beckel eine vielseitige Auswahl an Beispielen aus dem Forschungsfeld zur Saffa 1958 vor. Sie machten dabei nicht nur die Kooperationen der Saffa-Beteiligten, sondern auch die gute Zusammenarbeit in ihrer Forschungsgruppe sicht- und spürbar – talking about weibliche Kooperationen...
Die fünf Referentinnen konzentrierten sich bewusst auf bisher weniger beachtete Saffa-Gestalterinnen, die im Rahmen von Kooperationen bedeutende Beiträge leisteten, und nicht auf die bisher schon bekannten beteiligten Architektinnen.
Nach einer Einleitung von Katia Frey besprach Nina Hüppi das Atriumhaus von Reni Shulman-Trüdinger, worauf Katia Frey den dazugehörigen Wohngarten, dessen Schöpferin Verena Steiner sowie weitere ihrer Werke vorstellte. Isabelle Fehlmann zeigte die Beiträge der Grafikerin Rose-Marie Joray-Muchenberger für die Saffa-Pavillons «Eltern und Kinder» sowie «Dienst am Menschen» und lies die Zeitzeugin auch im O-Ton eines Interviews zu Wort kommen. Sarah Rageth präsentierte den dokumentarischen Nachlass der Besucherin Marie-Luise Blöchlinger vom Schweizerischen Frauenverein und beleuchtete aus einer übergreifenden Perspektive verschiedene Formen kooperativer Arbeitsweisen, ihre Erforschung und die besonderen Herausforderungen dabei. Inge Beckel schlug schliesslich noch einmal den grossen thematischen Bogen, indem sie – ausgehend von der Rede Erika Riklis – die ursprüngliche Idee der Saffa 1958 als Wohnausstellung, den konkreten Bezug zu verschiedenen weiblichen Lebensformen der Zeit und am Rande auch die Kooperation mit männlichen Vertretern verschiedener an der Saffa beteiligter Professionen behandelte. Für das im Titel der Veranstaltung angedeutete Thema der Geschichte weiblicher Kooperationen im Bereich Wohnen / Design / Architektur hätte Eliana Perotti den Horizont zwischen der Saffa 1958 und den Erfolgen des irischen Architekturbüros Grafton Architects, das 2020 als erstes von Frauen geführte Büro den Pritzker-Preis gewann, aufspannen wollen. Leider fiel ihr Beitrag krankheitsbedingt kurzfristig aus.
Gleichwohl gaben die mosaikhaften Einblicke allemal genügend Stoff für Fragen, die auch heute noch unter den Nägeln brennen, und daher für eine angeregte Diskussion sorgten. Hatte Katia Frey in der Einleitung noch die eher konservative Ausrichtung der Saffa 1958 konstatiert, die u.a. das «3-Phasen-Modell» eines weiblichen Lebenslaufes, nämlich «Beruf – Kinder – beruflicher Wiedereinstieg», propagierte und aufgrund derer etwa kommunistische Frauenvereine ausgeschlossen wurden, so zeigte sich im Laufe der Referate zu den Lebensläufen der beteiligten professionellen Frauen und anhand des politischen Diskurses der Zeit, dass sich zwischen ihren Persönlichkeiten und den ausgestellten Idealen Diskrepanzen auftun, die die gesamte Saffa 1958 in einem ambivalenten und daher umso interessanteren Licht erscheinen lassen.
Während etwa Verena Steiner und Reni Shulman-Trüdinger ein zwar modernes Atriumhaus entwarfen, das aber völlig auf einem traditionellen Geschlechterrollen-Muster basierte, sind die Gestalterinnen selbst aus diesen Rollen ausgebrochen. Die Innenarchitektin Schulman-Trüdinger machte nach ihrer Ausstattung der Schweizer Botschaft in Tokio Karriere in den USA. Ähnlich hatten auch andere beteiligte Frauen ein kontinuierliches Arbeitsleben, blieben unverheiratet, kinderlos und entsprachen sicher nicht dem Frauenideal, das die Saffa 1958 mehrheitlich manifestierte. Eine anderes Bild vermittelte jedoch der Wohnturm, in dem ausgehend von der Idee einer «Neuen Stadt» – repräsentiert von einem Stadtmodell für Wettingen – einige einer solchen Stadt entsprechende Wohnungsmodelle für verschiedene Lebensentwürfe vorgestellt wurden, die z.B. auch eine alleinerziehende Frau mit zwei Kindern oder eine unverheiratete Frau einschlossen.
Die Berichte der Gestalterinnen zeugen sowohl von Aufbruchstimmung und Optimismus, die die Saffa trugen, als auch von vielen Kompromissen, die sie eingingen. So suchten die Organisatorinnen der Saffa Kooperationen mit männlich dominierten Berufszweigen sowie mit Geschäften und Firmen in der Stadt und der ganzen Schweiz, weshalb sie letztlich eher diplomatisch, zahm und kompromissbereit handelten, sich von radikalen Positionen distanzierten und möglichst nicht provozieren wollten.
So wäre es noch interessant mehr auch darüber in Erfahrung zu bringen, wie radikalere und kämpferisch auftretende Frauen die Saffa gesehen haben – ein Forschungsdesiderat. Die verlorene Abstimmung zum Frauenstimmrecht im Jahr darauf war auch für die Saffa-Gestalterinnen eine herbe Enttäuschung.
Die referierte zeitgenössische These von Erika Rikli, Frauen seien für das «Wohnliche in der Welt» zuständig und damit ein Gegengewicht zum technizistischen Denken und Handeln der Männer, ist auch heute längst nicht überwunden. Das binäre Weltbild bröckelt allerdings zunehmend. Es wird klar, dass das bereitwillige Immer-wieder-Festschreiben traditioneller Rollen und die allzu zahmen Kompromisse weder Frauen noch Männer weiterbringen und ebenso wie zu provokante Polarisierungen nirgendwo hinführen.
Mascha Bisping, Zürich
Kunsthistorikerin, Architektur- und Städtebaugeschichte
Fotos: Mascha Bisping, 2020